Als zusammenhängende Werkgruppe unter den Arbeiten von Benno Blome erscheinen die Wandmalereien. Thematisch spiegeln viele dieser Wandbilder die Beziehungen von Mensch und Natur. In ihrer Ausführung erscheinen dabei einige Wandbilder sehr abstrakt, zeichenhaft reduziert – wie klinisch minimalistische, ja modernistische Varianten von Höhlenmalereien, beschränkt auf gerade dunkle Linien aus schwärzlich blauem Pigment auf weißem Hintergrund (Ekstasen, 2015, Zauberzeichnungen, 2018). Andere Wandbilder hingegen erinnern in ihren klar umrissenen, flächigen Figuren auf meist farbigem Hintergrund an Filzstiftmalereien von Kindern oder Kinderbuchillustrationen. Inhaltlich fokussieren einige dieser Arbeiten besonders stark die anthropologische Kontinuität, so u.a. Der weinende König (2011), Winnetous Grab (2012) und die Demonstration aus dem Himmel (2016). In diesen figürlichen Wandbildern sind die Tiere und Menschen so über die Flächen verteilt, als hätte Gott sie soeben in die Welt gestreut. Die teils kindnahe Ausführung und die den Welten biblischer Erzählungen, Märchen und prägender Jugendliteratur entlehnten Werktitel erwecken Eindrücke einer Kreatürlichkeit und eines Werdens, Eindrücke einer Einbettung und Bindung des Menschen in die Rhythmen der Natur.
Einen anderen Blick auf die Imperfektion, das Unfertige, mit Fokus auf das Ausgesetztsein des Menschen, liefert die Wandarbeit Alles ist Kapital (2011). Im selben flächigen und offenen Stil erscheinen dort teils junge kräftige, teils alte gebeugte Menschen auf den sich gegenüberliegenden Wandflächen eines schmalen Raumes, dessen Stirnseite mit einem als Graffiti gesprayten Text, unterzeichnet mit »Yasmin«, versehen ist.
Die fatale Botschaft darin, ist die einer allumfassenden ökonomischen Landnahme, nach welcher alles Kapital ist – Material zur Ausbeutung und Selbstausbeutung. Auch »deine Wünsche«, »dein Schmerz«, »dein Tod«, »deine Freunde«, »deine Musik« werden vom Autor des Graffitis dort verortet. Nach dem Lesen des Textes erscheint die unfeste Oberfläche des Wandbildes, das Unfertige im malerischen Strich besonders eindrücklich als Signum der Verletzlichkeit und Brüchigkeit des Menschen.
Oder ist der Text doch eher im konträren Sinne zu verstehen, nämlich als Ermutigung und Aufruf, sich der eigenen Begabungen, vorhandenen Beziehungen und der sich daraus ergebenden Fülle an Möglichkeiten bewusst zu werden und sie zu nutzen? Wie bei einem Vexierbild kann hier das Statement kippen, zwischen rücksichtsloser totaler Instrumentalisierung der eigenen Existenz und der Ermutigung, das mit und im eigenen Leben Erhaltene fruchtbar zu machen.
Von diesen erzählerischen Wandbildern weit entfernt sind die mit geraden dunklen Linien auf weißem Hintergrund sehr nüchtern gehaltenen Ekstasen (2015) oder die Zauberzeichnungen in der Ausstellung STILLES LAND (2018). Letztere erscheinen wie eine Kreuzung aus Mondrian ohne Farbflächen und Höhlenmalereimotiven. Sie nehmen einen Weg auf, der bereits in den noch farbig gehaltenen Wandmalereien geometrisch-plastischer Figuren Dunkle Mächte und Palazzo del Tè (beide 2013) begonnen wurde und radikalisieren diesen zur reinen Linearität. Dabei kehren jedoch stets in der freihändig ausgeführten Linie die ausgebeulten Formen aus den figurativen Malereien wieder. Die Klarheit der Linienführung – dabei figürliche Ausgangspunkte bis zur Unkenntlichkeit abstrahierend – stellt eine verborgene, transzendente Inhaltlichkeit hinter eine vordergründige Ästhetik der Transparenz. Während diese Wandbilder die Modernität und die glatten Oberflächen einer Ästhetik reibungsloser Prozesse beschwören, führen die Werktitel zur Evokation irrational-magischer Kontexte. Hierin scheint die Idee durch, wonach das modernistische Vertrauen auf Technik, Fortschritt, Wirtschaftswachstum zutiefst magischen Glauben lediglich verhüllt. Danach erscheint die Selbstbeschreibung der Moderne im Sinne einer »Entzauberung«, um den Begriff Max Webers zu zitieren, hier fragwürdig und als Übertreibung. Die provokative Betonung des Archaischen und des Infantilen in der Moderne, ihres Wissens sowie ihrer weitverzweigten Verantwortungen, enthält die Idee einer Wieder- oder Umverzauberung. Diese lässt den modernen Menschen damit zwar in einer anderen Art und Weise tanzen, als den archaischen, aber eben doch tanzen und sie gibt ihm daneben neue mythische Symbole als geheime Schlüssel zum vergessenen Land.
Die dem Bilderkosmos von Blome vielfältig eingeprägte, bisweilen versteckte mythische Sprache mit ihren Figuren des Göttlichen ist aber nicht nur Symbol einer kulturhistorischen Kontinuität: sie hat vielmehr in der hier eröffneten Perspektive auch in unserer modernen Welt etwas über den Ort von Wesentlichem, von Orten der Selbstgenügsamkeit und eigenen Fülle des Lebens zu sagen. Dieses Sagen bleibt – ebenso wie dasjenige des Künstlers – im Bild; es bleibt in der Ausbalancierung von Materialien und Gestaltungen und spricht sich nicht als begriffliche Festlegung und Ausdeutung aus. Gerade in Themenbereichen, die in der Öffentlichkeit von Thesenstreits überzogen sind, hält Blome an dem unauflösbaren, nicht mehr sinnvoll kritisierbaren Rest mit Blick auf das Leben fest. Eine Lebensrealität, deren widerspruchsvolle Vielheit weniger im Fertigen, Durchrationalisierten und Transparenten, als in der Konkretheit des Imperfekten, Unvollständigen, Sinnambivalenten und Intransparenten ihren verbindenden Grund findet.